Wed, 6 Dec, 20:05– 030
Liebe Tina,
wie schafft dus nur, im Job so konzentriert zu schreiben?! Ich glaub, ich könnte das nicht, auch nicht, wenn ich dort ein Zimmer mit einem Fensterchen mit – nur! – Blickkontakt zu einem sichtlich verständnisvollen Raucher hätte.
Mein Arbeitsplatz ist ein Ort, den ich meist fluchtartig verlasse, außer ich werde von den Studenten aufgehalten. Heute wars Shirin, die mich mit ihrem Kopftuchgetue schon voriges Semester genervt hat. Sie hatte damals einen – entrollt – wahrscheinlich bis zur Taille reichenden Zopf darunter. Nicht nur, daß sie sich diesen im September abgeschnitten hat, jetzt gelüstet es sie noch, sich die Haare blond zu färben! Das Kopftuch will sie aber trotzdem tragen!
Ich habe ihr gesagt, sie sollte doch zuerst mit Henna schrittweise versuchen, welcher Rotton ihr gefallen würde. Fast schwarze Haare zu blondieren, fände ich zwar exotisch, aber im Moment auch etwas verrückt. (Noch dazu, wenn sie nur ihre Freundin damit beeindrucken kann.)
Ich habe ihr dann im Auto ein wenig Musik vorgespielt, wobei ich nicht sicher war, ob sie wirklich persisch war. Sie sagte, es seien alte persische Liebeslieder, war davon aber nicht besonders angetan. Sie will mir jetzt eine Musik mitbringen, die ihr gefällt. Obwohl ich sie ersuchte, nach Hause zu fahren und sich mehr mit dem Psychologiestudium zu befassen, wollte sie unbedingt beim Schwedenplatz aussteigen und in die Stadt bummeln gehen. Schließlich versprach sie, sich in die NB zu setzen und etwas Ernsthaftes zu machen.
Heute fühle ich mich wieder gestern, schon jetzt – es ist 20.10 Uhr – ziemlich müde, obwohl ich sowohl zu Mittag als auch am Nachmittag insgesamt gegen einen etwas ungewohnten Wind eine Dreiviertelstunde gegangen bin.
Natürlich kannst du mich positiv beeinflussen! Der Lohn ist auch erstrebenswert: ein Briefchen, das noch dazu zuerst einmal durch die Hände deiner so schön und liebevoll ohne Konkurrenzneid beschriebenen „EDV-Betreuerin" geht, die es ohne den geringsten Nebengedanken sofort weiterleitet! Wie wirst du dich denn für ihre treuen Dienste revanchieren?
Ich komme noch kurz auf ein früheres Mail zurück: Was den „konträren Frauentyp“ anlangt, so basiert der auf einem Trieb aus der Pubertät, verbunden mit der Herkunft aus einem bücherlosen und auch sonst recht armen Elternhaus. Das Konträre waren Bildung und eine gewisse Geldunabhängigkeit. Wenn sich das noch mit konträren – und letztlich kontraproduktiven, das heißt: nicht nur selbstzerstörerischen - Neurosen verbunden hat, wie etwa bei meiner Exfrau, dann kann sich das auf längere Sicht als eine höchst explosive Mixtur entpuppen.
Ich war damals – nach meiner Erinnerung – nicht unbedingt beziehungsmüde oder gar voller Überdruß. Außerdem: was zählt Überdruß gegenüber der Liebe zu einem Kind? Weil dann - nach langmütigem Hoffen - das Gefühl des Gefangenseins noch hinzukam, mußte der Ort aller Mißverständnisse und Demütigungen trotz aller Bedenken verlassen werden. Kurz: der Trugschluß Jahre vorher war, ich könnte „bessere Ersatzeltern“ finden, die mich meine Herkunftsscham vergessen ließen. Ein aus meiner jetzigen Sicht zwar verständlicher Irrtum, aber er mußte zuerst einmal ausgelebt werden.
Ich bin jetzt ein wenig ratlos, weil ich nicht weiß, ob ich dich etwas fragen darf: zum Thema – orthopädisch oder nicht - „zugemüllt“. (Oder du willst mir zumindest verraten, was passieren müßte, damits dir besser geht!) Die einzige Frage: heißt Tabletten Schlaf- oder Glückspillen?
Danke jedenfalls für K., samt WG, was ich dir zurückappliziere! Läßt sich das deinerseits noch deutlicher sagen?
Alles Liebe
ALEX
PS: Leider muß ich schon wieder morgen in der Früh aus dem Haus. Ich will aber gar nicht!
wie schafft dus nur, im Job so konzentriert zu schreiben?! Ich glaub, ich könnte das nicht, auch nicht, wenn ich dort ein Zimmer mit einem Fensterchen mit – nur! – Blickkontakt zu einem sichtlich verständnisvollen Raucher hätte.
Mein Arbeitsplatz ist ein Ort, den ich meist fluchtartig verlasse, außer ich werde von den Studenten aufgehalten. Heute wars Shirin, die mich mit ihrem Kopftuchgetue schon voriges Semester genervt hat. Sie hatte damals einen – entrollt – wahrscheinlich bis zur Taille reichenden Zopf darunter. Nicht nur, daß sie sich diesen im September abgeschnitten hat, jetzt gelüstet es sie noch, sich die Haare blond zu färben! Das Kopftuch will sie aber trotzdem tragen!
Ich habe ihr gesagt, sie sollte doch zuerst mit Henna schrittweise versuchen, welcher Rotton ihr gefallen würde. Fast schwarze Haare zu blondieren, fände ich zwar exotisch, aber im Moment auch etwas verrückt. (Noch dazu, wenn sie nur ihre Freundin damit beeindrucken kann.)
Ich habe ihr dann im Auto ein wenig Musik vorgespielt, wobei ich nicht sicher war, ob sie wirklich persisch war. Sie sagte, es seien alte persische Liebeslieder, war davon aber nicht besonders angetan. Sie will mir jetzt eine Musik mitbringen, die ihr gefällt. Obwohl ich sie ersuchte, nach Hause zu fahren und sich mehr mit dem Psychologiestudium zu befassen, wollte sie unbedingt beim Schwedenplatz aussteigen und in die Stadt bummeln gehen. Schließlich versprach sie, sich in die NB zu setzen und etwas Ernsthaftes zu machen.
Heute fühle ich mich wieder gestern, schon jetzt – es ist 20.10 Uhr – ziemlich müde, obwohl ich sowohl zu Mittag als auch am Nachmittag insgesamt gegen einen etwas ungewohnten Wind eine Dreiviertelstunde gegangen bin.
Natürlich kannst du mich positiv beeinflussen! Der Lohn ist auch erstrebenswert: ein Briefchen, das noch dazu zuerst einmal durch die Hände deiner so schön und liebevoll ohne Konkurrenzneid beschriebenen „EDV-Betreuerin" geht, die es ohne den geringsten Nebengedanken sofort weiterleitet! Wie wirst du dich denn für ihre treuen Dienste revanchieren?
Ich komme noch kurz auf ein früheres Mail zurück: Was den „konträren Frauentyp“ anlangt, so basiert der auf einem Trieb aus der Pubertät, verbunden mit der Herkunft aus einem bücherlosen und auch sonst recht armen Elternhaus. Das Konträre waren Bildung und eine gewisse Geldunabhängigkeit. Wenn sich das noch mit konträren – und letztlich kontraproduktiven, das heißt: nicht nur selbstzerstörerischen - Neurosen verbunden hat, wie etwa bei meiner Exfrau, dann kann sich das auf längere Sicht als eine höchst explosive Mixtur entpuppen.
Ich war damals – nach meiner Erinnerung – nicht unbedingt beziehungsmüde oder gar voller Überdruß. Außerdem: was zählt Überdruß gegenüber der Liebe zu einem Kind? Weil dann - nach langmütigem Hoffen - das Gefühl des Gefangenseins noch hinzukam, mußte der Ort aller Mißverständnisse und Demütigungen trotz aller Bedenken verlassen werden. Kurz: der Trugschluß Jahre vorher war, ich könnte „bessere Ersatzeltern“ finden, die mich meine Herkunftsscham vergessen ließen. Ein aus meiner jetzigen Sicht zwar verständlicher Irrtum, aber er mußte zuerst einmal ausgelebt werden.
Ich bin jetzt ein wenig ratlos, weil ich nicht weiß, ob ich dich etwas fragen darf: zum Thema – orthopädisch oder nicht - „zugemüllt“. (Oder du willst mir zumindest verraten, was passieren müßte, damits dir besser geht!) Die einzige Frage: heißt Tabletten Schlaf- oder Glückspillen?
Danke jedenfalls für K., samt WG, was ich dir zurückappliziere! Läßt sich das deinerseits noch deutlicher sagen?
Alles Liebe
ALEX
PS: Leider muß ich schon wieder morgen in der Früh aus dem Haus. Ich will aber gar nicht!
michaela1 - 7. April, 22:16