Fri, 24 Nov, 14:20 – 011
Liebe Tina,
mein „Wochenende“ hat eigentlich vier Tage, jedoch nur, wenn man es vom Blickwinkel des Jobs betrachtet. Sonst arbeite ich nach Druck und Laune oder wenn ich mich von einer Idee, einem Satz oder auch nur einem Wort belebt fühle.
Heute Abend gehe ich zu einer Preisverleihung (was ich sonst vermeide). Ich mache eine Ausnahme, weil ich eine Autorin, von der ich nichts gelesen, aber schon gehört habe, kennenlernen will Außerdem wurde der Preis von einer mir bekannten Zeitschrift gestiftet, in Wirklichkeit aber von der Frau eines Arztes, ohne daß sie ihren Namen an die große Glocke hängen will. Auch das muß geehrt werden. Das heißt: ich würde gern mehr über die Hintergründe erfahren, weil so etwas völlig ungewöhnlich ist. Preise werden nach Toten (oder Firmen) benannt. Und lebende Sponsoren wollen normalerweise nicht im Hintergrund bleiben.
Gestern um diese Zeit wars genauso schön wie jetzt, weshalb ich die Runde schon am Nachmittag gemacht habe. Da du siehst (manchmal) auch Menschen in den Gärten hinter dem nun schon fast entlaubten Gebüsch und auch auf diesem recht einsamen Weg zwischen den Wochenendhäuschen. Hier in der Nähe gibt eine architektonisch relativ abwechslungsreiche Siedlung von etwa 3 km Länge. Dort bin ich dann auch durchgegangen, an dem Fischteich in der Mitte vorbei. In einem Vorgarten habe ich zu meinem Erstaunen große pralle Khakifrüchte entdeckt, die im ersten Moment wie aus Plastik ausgeschaut haben.
Du hast recht: die Autorinnen und Autoren der Bücher um mich ersetzen mir nicht den direkten Kontakt mit Menschen, egal in welcher Form. Aber über das Medium Buch kann ich mit ihnen als „Geist“, das heißt: als denkende, fühlende, planende, phantasierende Wesen in Kontakt treten, auch wenn sie nicht mehr leben. In diesem Sinn brauche ich nicht ihre körperliche Anwesenheit, wenn aus ihrer Hinterlassenschaft ihr nicht hier gegenwärtiges oder früheres Leben spricht.
Ja, mit Büchern teilst du „das Erlebte der Autoren.“ Aber du bist doch dabei als autonom erlebende Person nicht ausgeschaltet. Das ist ja das Schöne am Lesen, daß es in einer realen Situation passiert, in der die jeweilige Umwelt zwar in den Hintergrund tritt, aber doch auch präsent ist. Ein Buch kann auf vielfältige Weise wirken, aber die Wirkung hängt doch sehr von deiner jeweiligen Verfassung, den Erwartungen und Notwendigkeiten ab.
Noch etwas zu Connie Palmen: Ich bin zwischendurch ihr gegenüber ziemlich kritisch geworden, vielleicht aus Neid auf die Lebensumstände, die sie beschreibt (zum Beispiel ständige das Reisen, nach NY und in andere amerikanische Städte, ihre Übernachtungen in Luxushotels, ihre übererfüllte Liebeshoffnung). Da ich aber über die Bücher, die ich gerade lese, auch mit anderen rede, hat sich das wieder relativiert. Außerdem zitiert sie ihren Liebhaber – IM – wörtlich, was mich wieder ziemlich versöhnt, denn diese Stellen beschreiben den damals mehr als 50jährigen holländischen Juden im Beziehungsdreieck Gott-Vater-Kind; und das fand ich im Moment recht sensationell, weil es ein Licht von innen auf die Welt eines Überlebenden wirft (wie letzten Endes das ganze Buch, aber das war am Anfang nicht so klar).
Was den Schlaf betrifft: ich gehe leider zu spät schlafen und wache – oft – zu früh auf. Dieses Problem verfolgt mich seit vielen Jahren. Ich will nicht ins Bett, wenn ich müde werde, also zwischen 22 und 23 Uhr. Denn da war der Tag noch zu kurz. Aber vor Mitternacht – und noch schlimmer danach – ist das Einschlafen schwierig. Ich bin also kein Nachtschwärmer, sondern ein Tag-in-die-Nacht-Ausdehner. Wie ist das bei dir?
Und zu Glück: im engeren Sinn negativ; Witz: schon, aber meist von mir inszeniert; Hoffnung: ist im Steigen begriffen, im Vergleich zu gestern jedenfalls, wo ich mich einfach kaputt gefühlt habe.
Herzlich
ALEX
PS 1: Ich notiere für dich meinen heutigen Traum, denn ich habe mich gefreut, daß ich ihn behalten konnte:
Ich befand mich vor einem Flug nach New York, und alles ging sehr schnell vor sich. Ich mußte bald bemerken, daß ich meinen Camcorder vergessen hatte. Deshalb überlegte ich, ob ich mir in New York nicht gleich einen neuen kaufen sollte. Ich dachte, es sei schlimmer, ohne Videos nach Hause zu kommen als unnötig Geld auszugeben. Zugleich fürchtete ich, von Straßenhändlern betrogen zu werden.
Dann war ich bereits in einem Hotel, das sich im völligen Umbau befand. In den Gängen hingen Kabel heraus, die Decken waren teilweise durchbrochen, überall lag Bauschutt auf dem Boden. Den Lift konnte man nur mit einem Schlüssel benützen, der sich in einem Glaskasten befand, was jedoch aus irgendeinem Grund verboten war. Als ich ihn trotzdem nehmen wollte, ertönte eine Stimme, die mich unflätig beschimpfte. Davon wachte ich auf. Ich hatte jedoch kein schlechtes Gefühl, sondern war froh, daß ich dieses Mal den Tag mit einer ziemlich klaren Traumerinnerung beginnen konnte. Fällt dir dazu etwas ein? Oder willst du mir einen Traum erzählen?
PS2: Wenn du durch die Stadt schreitest: Wo beginnt dein Weg und wo endet er? Wo kaufst du die schicke Kleidung? Und wer macht dir Komplimente?
PS3: Wie wärs mit einigen weiterführenden Hinweisen, was Arbeit samt Notwendigkeit und Lust betrifft?
mein „Wochenende“ hat eigentlich vier Tage, jedoch nur, wenn man es vom Blickwinkel des Jobs betrachtet. Sonst arbeite ich nach Druck und Laune oder wenn ich mich von einer Idee, einem Satz oder auch nur einem Wort belebt fühle.
Heute Abend gehe ich zu einer Preisverleihung (was ich sonst vermeide). Ich mache eine Ausnahme, weil ich eine Autorin, von der ich nichts gelesen, aber schon gehört habe, kennenlernen will Außerdem wurde der Preis von einer mir bekannten Zeitschrift gestiftet, in Wirklichkeit aber von der Frau eines Arztes, ohne daß sie ihren Namen an die große Glocke hängen will. Auch das muß geehrt werden. Das heißt: ich würde gern mehr über die Hintergründe erfahren, weil so etwas völlig ungewöhnlich ist. Preise werden nach Toten (oder Firmen) benannt. Und lebende Sponsoren wollen normalerweise nicht im Hintergrund bleiben.
Gestern um diese Zeit wars genauso schön wie jetzt, weshalb ich die Runde schon am Nachmittag gemacht habe. Da du siehst (manchmal) auch Menschen in den Gärten hinter dem nun schon fast entlaubten Gebüsch und auch auf diesem recht einsamen Weg zwischen den Wochenendhäuschen. Hier in der Nähe gibt eine architektonisch relativ abwechslungsreiche Siedlung von etwa 3 km Länge. Dort bin ich dann auch durchgegangen, an dem Fischteich in der Mitte vorbei. In einem Vorgarten habe ich zu meinem Erstaunen große pralle Khakifrüchte entdeckt, die im ersten Moment wie aus Plastik ausgeschaut haben.
Du hast recht: die Autorinnen und Autoren der Bücher um mich ersetzen mir nicht den direkten Kontakt mit Menschen, egal in welcher Form. Aber über das Medium Buch kann ich mit ihnen als „Geist“, das heißt: als denkende, fühlende, planende, phantasierende Wesen in Kontakt treten, auch wenn sie nicht mehr leben. In diesem Sinn brauche ich nicht ihre körperliche Anwesenheit, wenn aus ihrer Hinterlassenschaft ihr nicht hier gegenwärtiges oder früheres Leben spricht.
Ja, mit Büchern teilst du „das Erlebte der Autoren.“ Aber du bist doch dabei als autonom erlebende Person nicht ausgeschaltet. Das ist ja das Schöne am Lesen, daß es in einer realen Situation passiert, in der die jeweilige Umwelt zwar in den Hintergrund tritt, aber doch auch präsent ist. Ein Buch kann auf vielfältige Weise wirken, aber die Wirkung hängt doch sehr von deiner jeweiligen Verfassung, den Erwartungen und Notwendigkeiten ab.
Noch etwas zu Connie Palmen: Ich bin zwischendurch ihr gegenüber ziemlich kritisch geworden, vielleicht aus Neid auf die Lebensumstände, die sie beschreibt (zum Beispiel ständige das Reisen, nach NY und in andere amerikanische Städte, ihre Übernachtungen in Luxushotels, ihre übererfüllte Liebeshoffnung). Da ich aber über die Bücher, die ich gerade lese, auch mit anderen rede, hat sich das wieder relativiert. Außerdem zitiert sie ihren Liebhaber – IM – wörtlich, was mich wieder ziemlich versöhnt, denn diese Stellen beschreiben den damals mehr als 50jährigen holländischen Juden im Beziehungsdreieck Gott-Vater-Kind; und das fand ich im Moment recht sensationell, weil es ein Licht von innen auf die Welt eines Überlebenden wirft (wie letzten Endes das ganze Buch, aber das war am Anfang nicht so klar).
Was den Schlaf betrifft: ich gehe leider zu spät schlafen und wache – oft – zu früh auf. Dieses Problem verfolgt mich seit vielen Jahren. Ich will nicht ins Bett, wenn ich müde werde, also zwischen 22 und 23 Uhr. Denn da war der Tag noch zu kurz. Aber vor Mitternacht – und noch schlimmer danach – ist das Einschlafen schwierig. Ich bin also kein Nachtschwärmer, sondern ein Tag-in-die-Nacht-Ausdehner. Wie ist das bei dir?
Und zu Glück: im engeren Sinn negativ; Witz: schon, aber meist von mir inszeniert; Hoffnung: ist im Steigen begriffen, im Vergleich zu gestern jedenfalls, wo ich mich einfach kaputt gefühlt habe.
Herzlich
ALEX
PS 1: Ich notiere für dich meinen heutigen Traum, denn ich habe mich gefreut, daß ich ihn behalten konnte:
Ich befand mich vor einem Flug nach New York, und alles ging sehr schnell vor sich. Ich mußte bald bemerken, daß ich meinen Camcorder vergessen hatte. Deshalb überlegte ich, ob ich mir in New York nicht gleich einen neuen kaufen sollte. Ich dachte, es sei schlimmer, ohne Videos nach Hause zu kommen als unnötig Geld auszugeben. Zugleich fürchtete ich, von Straßenhändlern betrogen zu werden.
Dann war ich bereits in einem Hotel, das sich im völligen Umbau befand. In den Gängen hingen Kabel heraus, die Decken waren teilweise durchbrochen, überall lag Bauschutt auf dem Boden. Den Lift konnte man nur mit einem Schlüssel benützen, der sich in einem Glaskasten befand, was jedoch aus irgendeinem Grund verboten war. Als ich ihn trotzdem nehmen wollte, ertönte eine Stimme, die mich unflätig beschimpfte. Davon wachte ich auf. Ich hatte jedoch kein schlechtes Gefühl, sondern war froh, daß ich dieses Mal den Tag mit einer ziemlich klaren Traumerinnerung beginnen konnte. Fällt dir dazu etwas ein? Oder willst du mir einen Traum erzählen?
PS2: Wenn du durch die Stadt schreitest: Wo beginnt dein Weg und wo endet er? Wo kaufst du die schicke Kleidung? Und wer macht dir Komplimente?
PS3: Wie wärs mit einigen weiterführenden Hinweisen, was Arbeit samt Notwendigkeit und Lust betrifft?
michaela1 - 18. Februar, 12:20