Mittwoch, 30. Januar 2008

Wed, 5 Jan, 18:59 - 067

Liebe Tina,

IMMER heißt natürlich nicht immer, sondern - richtig - immer öfter, das heißt: in einem Rhythmus, der sich von selbst ergibt, aufgrund der äußeren Möglichkeiten; hängt aber nicht vom Ort und der Gesellschaft ab (wie ich dir unlängst angedeutet habe).

Wie geht's dir denn mit dem Gedanken, daß ich nur ein Projektionsbild vor mir hab? Du hast mir schon viele Details zu dir geliefert. Doch soll das genug sein? Ists für dich ok, daß ich täglich nur eine sozusagen synthetische Tina vor mich auf den Bildschirm projiziere?

Du hast mir jetzt gezeigt, wies für dich ausschaut, wenn du dich mit einem Internet-Mann triffst! Aus der "Flachserei ergab" sich das Treffen. Gut, doch nicht von selbst! Du mußtest ihn doch eingeladen haben. Und warum sollten denn "sexual Feelings" so etwas Schlechtes sein? Ich glaub dir das nicht ganz, weil du ja auch eine Lockende bist! Warum darf der Typ sich nicht in dich verlieben? Ich kenne keine Freundschaft ohne eine zumindest EROTISCHE Komponente. Warum willst du die verleugnen? Und: Warum setzt du so eine Trennlinie zwischen Gefühls- und Gedankenwelt? Ich sehe das sehr verwoben. Auch wenn ich mich analytisch verhalte, geschieht das auf dem Hintergrund meiner Gefühlslage, meiner Stimmung, meiner Hoffnungen und Projektionen!

Also warum willst du einem Mann unbedingt BEWEISEN, daß er falsch liegt? (Falsch ist die Ratio; und falsch sind die Gefühle. Was bleibt noch?)

Ich habe nichts gegen widersprüchliche Gefühle und gemischte Charaktere, so ist die Realität. (Ich kann mir natürlich fallweise eine REINE Welt wünschen; und du darfst das auch.)

Tina, ich habe dich bis jetzt als äußerst liebenswürdig und vielfältig empfunden! (Das ist sicher keine Projektion, mir hilft (fallweise) die Analyse!) Deshalb erwarte ich mit Freude deine Briefchen! Und deshalb fühle ich mich vertraut - sozusagen in deinem Armen, wenn du das nicht als Anbiederei auffaßt! - und von vielen Details "angesprochen" bzw. berührt.

Ich bewerte das nicht so manichäisch in Licht und Schatten, wie du angenommen hast. Das war nur ein Hinweis darauf, daß in jedem Ding eben die Kehrseite und auch die Zwischenfarben oder -töne! stecken. Ich will eine differenzierte und keine eintönige Welt. Auch wenn ich mich im Schatten aufhalte (weiterhin bildhaft gesprochen), möchte ich Differenzen erkennen können.

Ich war einmal bei einer Blinden-Ausstellung im Messepalast (ich glaub: 1995; sie hieß anders), und da mußte ich mich durch völlige Finsternis bewegen. Anfangs erschreckend. Mit der Zeit gewöhnte ich mich an die Finsternis und nahm trotzdem Differenzen wahr: nicht über die Augen, sondern die Ohren. Ich denke, ich bin lernfähig und nehme das auch von jedem anderen Menschen an (außer er oder sie beweist mir das Gegenteil).

Was mich an dir anzieht, ist, daß du (vielleicht nicht immer direkt) Lust ausdrückst. Ich denke, du könntest mir zustimmen. Du hast ein feines Gespür dafür und eben auch diese Sehnsucht nach dem Anderen; und vielleicht ( andererseits) auch einen Trieb, den du beherrschen willst, der aber auch dich beherrscht. Oder besser: ein Begehren oder Verlangen nach Lust, nicht nur im engeren, sondern im weiteren Sinn.

Ich möchte niemanden die Illusionen STEHLEN, auch nicht nehmen, dir schon gar nicht. Ich bin natürlich ein Realist, weil ich die Realien in der Realität sehe, auch die gesellschaftlichen Verhältnisse. Ich liebe aber die Wörter und die Sprache (du nicht?), und deshalb bin ich wieder gar kein solcher Realist, sondern verlasse mich auch auf die Repräsentationen der Welt in der Sprache, im Sprechen und Schreiben.

Jedes Wort ist belastet, weil es eine mehr oder minder lange Geschichte hat und aus ihm viele Menschen sprechen. Zugleich ist es eine Hoffnung, weil wir es mit unserem individuellem Atem erfüllen und ihm ein wenig neuen Sinn, den unsrigen, geben können. Siehst du das anders?

Übrigens finde ich es schön, daß du mit den Wörtern spontaner umgehst als ich! Naturgemäß sehen wir verschiedene Dinge verschieden, weniger oder mehr, und andere wieder nicht. Ich kann, wenn ich aufmerksam bin, von dir etwas lernen!

Jetzt ist es 18.54 Uhr, draußen stockdunkel. Ich bin ein wenig nervös, weiß aber nicht warum. Das neue Gehäuse des Computer sirrt in regelmäßigen Abständen, ich habe schon die zwei Boxen draufgestellt, was aber nichts ändert.

Ich mag Dich sehr, auch wenn du mir keine KK geschickt hast!

Herzlich

Alex
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